Wenn man an deutsche AAA-Titel denkt, kommt einem automatisch Crysis in den Sinn. Das Frankfurter Studio Crytek hat es bisher als einziges deutsches Entwicklerstudio einen großen internationalen Durchbruch mit seinem Actiontitel geschafft. Verglichen mit den USA, Kanada oder Asien hat man den Eindruck, die deutsche Computerspielebranche stecke noch in den Kinderschuhen – und das, obwohl Actiontitel hierzulande sehr beliebt sind. Wahrscheinlich hat die anhaltende Killerspiel-Debatte aber auch ihren Teil dazu beigetragen, dass Games in Deutschland noch nicht die kulturelle Anerkennung genießen, die sie eigentlich verdienen.
Dabei hat der diesjährige Entwicklerpreis gezeigt, dass die deutsche Entwicklergemeinde noch weitaus mehr kann als nur Actiontitel.
Beim Entwicklerpreis werden die besten deutschen Spieleproduktionen aus verschiedenen Genres und Plattformen prämiert. Dabei zeigt alleine schon die Location, dass die Branche sich auch in Deutschland im Aufwärtstrend befindet: Die Essener Lichtburg ist das älteste und renommierteste Premierenkino Deutschlands. Und so bekam auch der Entwicklerpreis ein Stück weit das Flair von Filmpreisen – und dazu fehlten eigentlich nur die Schauspieler. Eine beachtliche Leistung – besonders wenn man bedenkt, dass der Preis erst 2004 ins Leben gerufen wurde.
Die Gewinner
Als Gewinner des Abends können sich Related Designs und Bluebyte für das Strategiespiel ANNO 1404 schätzen. Sie räumten gleich 5 Awards ab: Bestes Strategiespiel, Grafik, Gamedesign, Soundtrack und die Königsdisziplin: Das beste deutsche Spiel 2009.
Auch Daedalic Entertainment durfte sich freuen: Für ihr Adventure ‚The Whispered World‘ erhielten sie den Award für die beste Story und wurden obendrein zum ‚Studio of the Year‘ gekürt. Aber auch andere Hersteller räumten in anderen Kategorien ab. Wenn ihr also noch nach Wünschen für Weihnachten sucht, findet ihr vielleicht etwas in unserer Kurzzusammenfassung der weiteren Preise:
- Bestes Kinderspiel: Giana Sisters
- Bestes Browserspiel: Die Gilde Online – Gilde 1400
- Bestes Konsolenspiel: Anno: Erschaffe eine neue Welt Wii
- Bestes Adventure: Black Mirror 2
- Bestes Rollenspiel: Risen
- Bestes Sportspiel: FUSSBALL MANAGER 09
- Bestes Casual Game: Shakes & Fidget – The Game
- Bestes Actionspiel: Venetica
- Bestes Mobile Game: Crazy Machines iPhone
Der mit 10.000 Euro dotierte Förderpreis ging an die Splitscreen Studios, bekannt für ihr Browser-MMOG Pirate Galaxy.
Besondere Auszeichnungen
In die Hall of Fame wurde Armin Gessert gewählt. Der Gründer von Spellbound Entertainment und Schöpfer von ‚The Great Giana Sisters‘ verstarb erst in November an einem plötzlichen Herzinfarkt. Sein Lebenswerk wurde von Kollegen und Freunden gewürdigt und Kai Rosenkranz, einer der renommiertesten deutschen Game-Komponisten spielte mit zwei Cellisten mehrere Titelsongs aus Gesserts Spielen.
Dass der Entwicklerpreis seit 2004 in Essen stattfindet, färbt nun offenbar auch auf die Politik ab. Essen trägt im kommenden Jahr den Titel der Kulturhauptstadt und möchte sich daher insbesondere mit der Förderung von Games als Kulturgut hervortun. Daher gab es den Sonder-Award „Junge Kreative Ruhr“, dessen Preisträger auch ungewöhnlich politisch ausfiel:
Paul Mandru wurde für seine mobile Applikation ‚Global Surveillance Map‘ ausgezeichnet, die anhand einer mit Icons gefüllten Karte den Grad der Überwachung und Verletzung der Privatsphäre von Bürgern weltweit anzeigt. So findet man in Deutschland beispielsweise Informationen zur Discounter-Kette LIDL, die für Furore wegen der Bespitzelung ihrer Mitarbeiter sorgte. Ebenso kritisiert die von Privacy International unterstützte Applikation auch die staatliche Überwachung, u.a. des öffentlichen Raums. So schickt die Applikation dem Nutzer via GPS-Standortermittlung Video- Überwachungsbilder von seiner derzeitigen Position.
Die Newcomer
Besonders auffällig war auf dem Entwicklerpreis auch die hohe Anzahl an Studenten, wenngleich diese ausschließlich von zwei privaten Hochschulen kamen. Dass der Beruf des Game Designers in Deutschland aber immer attraktiver wird, zeigten die Gamesload Newcomer Awards, bei denen gleich drei Studenten-Teams Preise abräumten:
1. Platz: Corporate Conflict Mars (Ic:Motion)
2. Platz: Grounded (Mimimi Productions)
3. Platz: Phobos (Wolpertinger Games)
Dass mit dem erstplatzierten Titel ein Shooter bei einer deutschen Preisverleihung abräumt, dürfte wohl auch positive Signale für das Genre senden.
Insgesamt glänzte der Event mit einer professionellen, aber dennoch lockeren und persönlichen Atmosphäre. Der Sponsor Nokia sorgte mit seiner Game Show – einem Quiz ganz im verkorksten Stil von „You don’t know Jack“ – für Unterhaltung. À propos Sponsoren: Dass ausgerechnet rapidshare als einer der Hauptsponsoren für die Preisverleihung antrat, hatte schon einen kuriosen Aspekt. Immerhin geriet der Filehoster in der Vergangenheit immer wieder in die Kritik, da das Angebot gerne für illegale Downloads verwendet wird – darunter natürlich auch Computerspiele. Der Filehoster sucht allerdings offenbar auch die Nähe zu den Rechteinhabern. Im April wurde das Unternehmen vom Ex-Viva-Moderator Mola Adebisi als Marketingberater verstärkt, der ebenfalls den Entwicklerpreis besuchte.
Politische Aspekte
Eine politische Annäherung nach den Verbotsforderungen der Innenministerkonferenz gab es in Form des CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek, der den verhinderten Minister Krautscheid als Laudator für das beste deutsche Spiel 2009 vertrat. Während Krautscheid für sein erneutes Fehlen ein paar Sprüche seitens der Entwickler einstecken musste, suchte Jarzombek den Dialog mit der Entwicklerbranche. Man sei auf dem Weg, bessere Jugendschutzregelungen mit und nicht gegen die Entwickler zu finden. Trotz der freundlichen Worte traf er auf Skepsis bei diversen Entwicklern, was wohl auch damit zusammenhing, dass er das Entwicklerstudio Crytek mit dem Spiel Crysis verwechselte und für ein paar Gespräche über die Medienkompetenz von Politikern sorgte.
Für die deutsche Spielebranche dürfte der Entwicklerpreis langfristig jedenfalls ein Antriebsmotor sein. Die anwesenden Studenten waren sichtbar von den Verleihungen angespornt und nicht nur bei den Preisträgern der Newcomer Awards dürften sich in Zukunft neue deutsche Talente oder gar Studios formen.
Special Podcast: Die Nachwuchsentwicklerinnen
Wir wollten insbesondere wissen, welche Perspektiven sich für junge Frauen in der Entwicklerbranche bieten, die derzeit ja noch recht männerlastig ist. In unserem Sonderpodcast zum Entwicklerpreis führten wir ein Interview mit Judith Park, die im ersten Semester Game Design an der Mediadesign Hochschule Düsseldorf studiert.
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