Am gestrigen Abend war es soweit: Erstmalig lud die ESL politische Gäste zu einem Talk im ESL TV ein. Nach dem Vorbild der TV-Sendung „Hart aber fair“ sollten insbesondere Medienbildung, die „Killerspiel“-Debatte und der Medienstandort NRW thematisiert werden. Wer ein handfestes Streitgespräch erwartete, wurde enttäuscht. Dennoch sendete die Show positive Signale an die Politik über Nordrhein-Westfalen hinaus.
Moderiert wurde die einstündige Sendung vom ehemaligen GIGA-Moderator Colin Gäbel. Zu Gast waren die NRW-Landtagsabgeordneten Marc Jan Eumann (SPD), Thomas Jarzombek (CDU), Oliver Keymis (Grüne), Wout Nierhoff (FDP) und als Newcomer Christian Horchert (Piratenpartei). Die Linke entsendete keinen Vertreter. Bereits im Vorfeld konnten Spieler aus der Community Fragen an die Diskussionsrunde formulieren, während der Sendung nahm der Community Manager Alexander Holtz Shedden Fragen live aus dem IRC entgegen.
Einvernehmliche Standpunkte zum Thema „Killerspiele“
Während einige Spieler im Vorfeld ein Streitgespräch erwarteten, zeigten sich alle Teilnehmer bei den drei Themen der Sendung äußerst einvernehmlich. Thomas Jarzombek betonte, dass die „Killerspiel“-Debatte in NRW eigentlich kein Thema sei. NRW habe sich parteiübergreifend stark für die Gamercommunity und neue Medien eingesetzt, was sich nicht zuletzt durch die gamescom in Köln belegt werde. Die problematischen Diskussionen fänden vor allem im konservativeren Süden Deutschlands statt. Als Beispiele wurden hier Christian Pfeiffer sowie das abgesagte Intel Friday Night Game nach dem Amoklauf von Winnenden angeführt.
Während die einvernehmliche Diskussion aller Parteivertreter im IRC von einigen Spielern von Hohn begleitet wurde, sendete sie jedoch positive Signale an ihre Parteikollegen aus anderen Bundesländern. Insofern bleibt zu hoffen, dass obgleich des ausgebliebenen Streitgesprächs der Polit-Talk der ESL eine aufklärende Wirkung für Politiker anderer Landesverbände entfaltet.
Potential für Streitgespräche hätte es indessen durchaus gegeben: Während alle Beteiligten sich weitestgehend zufrieden mit der Arbeit der USK zeigten, wurde die umstrittene BPjM nicht thematisiert. Jene Institution ist der Grund für Indizierung von Computerspielen wie der kürzlich aus dem Handel beschlagnahmten internationalen Version des Zombie-Shooters Left4Dead 2. Gerade im Bereich des Jugendschutzes gehen die Standpunkte von CDU und Piratenpartei weit auseinander, kein Diskussionsteilnehmer wagte aber die direkte thematische Konfrontation. Vergleichbare Fragen, wie z.B. der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und Internetsperren wurden auch von mehreren Spielern nachgefragt und hätten durchaus für Zündstoff sorgen können. Im engen Zeitrahmen fanden diese Themen aber nicht mehr in die Sendung.
Für eine Überraschung sorgte Thomas Jarzombek, der sich begeistert von der Forderung der NRW-Piraten zeigte, für jeden Schüler einen Laptop ab dem 5. Schuljahr bereitzustellen. Die Piratenpartei hatte erst kürzlich diese Forderung nach dem Vorbild der Initiative „One Laptop per Child“ in ihre für NRW geplante Bildungsreform aufgenommen, um die Medienbildung und den Umgang mit modernen Medien früh zu fördern. Jarzombek wies zwar auf das Fehlen jener Forderung im CDU-Wahlprogramm hin und wollte keine Versprechungen machen, bekundete aber sein persönliches Interesse an der Unterstützung dieser Idee.
Nicht ohne Kritik
Obwohl alle Gäste sich demonstrativ auf Seiten der Gamercommunity stellten, wurde die Diskussionsrunde nicht von Kritik verschont. Angezweifelt wurden unter Anderem die Bemerkungen von Thomas Jarzombek, die CDU habe sich intensiv für neue Medien eingesetzt. Er erwähnte hierbei den ehemaligen NRW-Minister für Medien und Europa, Andreas Krautscheid, der von einem zum anderen Gaming-Event toure. Dass dieser als Schirmherr des deutschen Entwicklerpreises jedoch zwei Jahre in Folge vom Event fern blieb, fand keine Erwähnung. Auch wurden die häufig sehr umfangreichen Beiträge der Politiker kritisiert, die wenig Zeit für Publikumsfragen ließen, gerade mal zwei kamen in die einstündige Sendung durch.
Die Abschlussplädolyers nutzten die Vertreter der verschiedenen Parteien für einen Wahlaufruf zur Landtagswahl, darüber hinaus appellierten Eumann, Horchert und Keymis an die Gamercommunity, sich weiterhin mit kreativen Ideen einzumischen und auch über Parteilichkeit hinaus ihrer Stimme Nachdruck zu verleihen. Moderator Gäbel deutete am Ende der Sendung eine mögliche Fortführung derartiger Talkrunden an, ein mögliches Thema könnte hier die Bildung – eines der klassischsten Landesthemen – sein.
Den kompletten Mitschnitt des Polit-Talks könnt ihr hier ansehen: http://tv.esl.eu/de/vod/view/22082