GDC Europe 2009 – Tag 2

Am zweiten Tag der GDC Europe gewann David Cage, Gründer von Quantic Dream, die Gunst des Publikums. In seiner Keynote zum Thema „writing interactive narrative for a mature audience“ gab es interessante Statistiken – und verbale Ohrfeigen für Me-Too-Produkte und Publisher.

Wie managed man große AAA-Titel?

Die GDC wartete am Dienstag mit besonders praxisorientierten und vor allem nützlichen Panels auf. Stefan Baier und Renier Banninga von Streamline Studios zeigten Tipps und Tricks, wie man bei AAA-Produktionen noch die Übersicht behält. Streamline arbeitete unter Anderem an Titeln wie Terminator Salvation mit und produzierte tausende sogenannte „Art Assets“, also visuelle Spielinhalte wie Models, Props, Texturen und Level Designs. Baier und Banninga zeigten auf, wie sich trotz der ungeheuren Anzahl an Assets produktiv arbeiten lässt, so z.B. mit einer gut durchstrukturierten Produktions-Pipeline (vgl. Chart). Bei Streamline habe es sich bezahlt gemacht, mit spezialisierten Teams zu arbeiten, wozu auch ein SWAT-Team gehört. Dieses kümmert sich bei unvorhergesehenen Änderungen am Konzept allein um die Änderungen, die sich daraus ergeben, so dass die anderen Teams ungestört weiter arbeiten können.

Die schiere Anzahl an zu produzierenden Assets für ein AAA-Game ist jedoch das primäre Problem. Banninga betonte, dass ein Vorausschauendes Gestalten Game-Designern erheblich die Arbeit erleichtern kann. Anstatt Objekte nur für einen Zweck zu bauen, sollen sich Designer gleich zu Beginn Gedanken darüber machen, wie sich ein Modell sinnvoll zerlegen lässt. Mit der Methode haben Level Designer bei Streamline bereits ganze Lagerhallen nur mit Hilfe der Einzelteile eines Kran-Modells gebaut. Um unnötige Arbeit zu vermeiden, sollen Entwickler auch bei der Produktion achten, in welcher Distanz sich ein Objekt später vom Spieler entfernt befinden wird. Ein langwierig zu produzierendes, hochdetailliertes Modell nütze niemandem etwas, wenn der Spieler es nur bei einer Distanz von mehreren hundert Metern sehen würde.

Beide Entwickler betonten die Wichtigkeit einer zentralen Asset-Datenbank. Ähnlich zu einer Foto-Datenbank seien Designer gut damit beraten, ihre Assets mit Metadaten zu versehen, um schnell Objekte wie Türen, Wände oder bestimmte Materialien zu finden. Alleine durch den Verzicht auf lange Suchen könne in der Produktion massiv Zeit gespart werden. Streamline nutzt eine solche Datenbank auch, um den Status jedes einzelnen Assets festzuhalten. Entwickler können so stets nachvollziehen, ob an einem Objekt noch gearbeitet wird können selber kritische Anmerkungen anhängen. Auf die Art bliebe auch für die Projektmanager eine Spieleproduktion viel besser zu bewerkstelligen.

 

Social Games

Sie machen die Runde auf Facebook, MySpace & Co.: Social Games liegen im Trend und bereiten gelangweilten Büroleuten oder Hobbynutzern sozialer Netzwerke eine kleine Unterhaltung für zwischendurch. Hugh de Loayza vom Studio Zynga nahm das Erfolgsrezept solcher Social Games unter die Lupe. Der wichtigste Aspekt für den Erfolg eines solchen Games sei die virale Wirkung. Ein Game müsse den Anreiz geben, es an Freunde, Bekannte oder Verwandte weiter zu empfehlen. Der Grundstein für den Erfolg sei damit schon beim Grundkonzept zu legen – die Spielidee selber zähle weniger als die sozialen Aspekte. Loayza nannte als Beispiel kleine Geschenke, die der Spieler seinen Freunden virtuell machen kann – übrigens auch ein Grund, warum das Geschäftsmodell ‚Mikro-Transaktionen‘ in den USA sehr erfolgreich geworden ist.

Da jedoch auch der Wettbewerb in den USA deutlich schärfer in den letzten 18 Monaten geworden ist, sei ein konsequentes Monitoring des Nutzungsverhaltens wichtig. Auf welche Möglichkeiten springen Nutzer besonders an? Empfehlen sie das Spiel weiter? Auf Basis dieser Erkenntnisse könne ein Entwickler kontinuierlich seine Spiele verbessern und damit auch die Spieler-Community bei Laune halten. Um überhaupt erst eine große Reichweite zu generieren, setzt Zynga auf weit verbreitete Technologien wie Flash oder PHP.

 

In-Game Advertising

Ein Reizbegriff für manche Spieler – Brian Blau von Double Fusion zeigte jedoch auf, wie Online-Werbung in Games funktionieren kann und warum sie im besten Fall für den Spieler gar nicht störend ist. Während in der normalen Online- oder Offline-Werbung das Gebot gilt, niemals das Branding bzw. die visuelle Identität einer Marke zu verändern, gelten beim In-Game Advertising andere Regeln. Damit ein Werbemittel im Spiel wirken kann, müsse es im Kontext des Spiels glaubwürdig sein. Blau zeigte Sportspiele als Beispiel, bei denen der Unterschied zur Realität kaum auszumachen ist. Genau wie bei einem echten Fußballspiel zieren Sponsorenlogos die Banderolen oder Score-Anzeigen. Auch findet man auf virtuellen Rennstrecken oder in Städten großformatige Plakate, ganz wie im echten Leben. Spielt das Game in einer heruntergekommenen Stadt, so darf auch das Plakat dreckig sein, sofern die Marke noch erkennbar ist. Auf diese Art werde die Werbung zum integralen Teil des Spiels und werde nicht als Störfaktor wahrgenommen. Weitere Möglichkeiten seinen Pre-Roll Ads bei Videos, Sponsorlogos in Menüs oder Lobbies, aber auch ganze 3D-Modelle im Spiel können als Werbefläche herhalten. So fügte Jeep eines seiner Modelle als nutzbares Fahrzeug gleich mehreren Spielen hinzu, darunter auch dem populären Titel FarCry 2 – eine virtuelle Testfahrt quasi. Anstatt Logos zu retuschieren, böte sich mit In-Game Advertising auch dem Hersteller eine Möglichkeit, auf arbeitsintensive Fantasie-Produkte zu verzichten und stattdessen mit Product Placement eine zusätzliche Einnahmequelle zu schaffen.

Ein interessantes Detail: Ähnlich wie bei Standard-Onlinewerbemitteln kommt bei In-Game Ads auch Tracking zum Einsatz, um die Werbekosten zu kalkulieren. Blau nannte dabei drei klar umrissene Kriterien, damit ein Ad als „gesehen“ getrackt werden kann:

  • Größe: mindestens 1,5% des Bildschirms
  • Sichtbarkeit: mindestens 10 Sekunden oder im Falle eines Videos die volle Länge
  • Ein Betrachtungswinkel von mindestens 65°

Dieses Tracking funktioniert sogar bei Offline-Games, welche die Daten asynchron übertragen, sobald der Benutzer online geht. Mit dieser Methode können auch bei Singleplayer-Games die Werbemittel aktualisiert werden, so z.B. wenn das Fußballstadium plötzlich einen neuen Sponsor erhält.

Fazit: Eine sehr innovative und dennoch stark reglementierte Werbeform, die Kreativagenturen vor große Herausforderungen stellt. Eine sehr gelungene Kampagne kam ausgerechnet von Barack Obama, der aktiv mit Ingame-Werbung Wahlkampf betrieb.

 

Spiele für Erwachsene gestalten

Die meiste Aufmerksamkeit zog David Cage, Gründer des Studios Quantic Dream auf sich, der die vermutlich beste Keynote der ganzen GDC zum Besten brachte. Er stellte fest, dass ein Großteil der aktuellen Spiele für Teenager konzipiert seien: Überzeichnete Charaktere vergleichbar mit Karikaturen, flache Storylines, wiederholsame Spielprinzipien. Erwachsene erwarteten von einem Spiel mehr: Emotionen, Empathie und intellektuellen Anspruch. Ein Erwachsener wolle nicht nur den Rambo spielen und „cool“ sein, sondern ein wahres interaktives Filmerlebnis haben, welches einen Eindruck hinterlässt.

Cage verglich einige Spiele gar mit Pornofilmen: „It’s the same, no one cares about the story„. Er förderte recht interessante Statistiken zutage: So läge der Altersdurchschnitt der Gamer bei 35 Jahren bei einem Frauenanteil von 40%. 75% der Gamer seien über 18. Familienprodukte wie die Wii oder auf Teenager zugeschnittene Spiele haben zwar durchaus einen Markt, seien aber eher mit Spielzeugen vergleichbar. Etwas, woran Erwachsene nur noch selten Interesse hätten.

Eine verbale Ohrfeige verpasste Cage auch den Marketingabteilungen der Publisher: „Never allow a marketing guy to mess with your concept„. Entwickler sollen sich seiner Meinung nach trauen, ihre Ideen mit Nachdruck zu verteidigen. Dabei sei die Chance, ungewöhnliche Ideen an einen Publisher pitchen zu können, höher denn je. Da der Markt mit Me-Too-Produkten übersättigt sei, dürften Publisher über jede frische Idee dankbar sein. Über die Publisher hinaus kritisierte Cage das Rating-System für Jugendfreigaben scharf. So gab es beispielsweise in den USA einen medialen Aufschrei über eine Sexszene in Mass Effect. Diese sei jedoch so dezent gehalten worden, dass viele normale Kinofilme deutlich mehr zeigen würden. Dennoch würden Spiele in viel stärkerem Maße zensiert als Filme und das ohne rational nachvollziehbaren Grund. So gebe es laut Cage keine einzige Studie, die einen Zusammenhang zwischen dem Konsum interaktiver Kultur und Handeln im wahren Leben wissenschaftlich herleite. Er ermutigte daher auch die anwesenden Entwickler, selber Mut zu zeigen und zu ihren Ideen zu stehen – ohne Angst vor Reaktionen der Presse. Er erntete tosenden Beifall für seinen gewitzten und äußerst messagelastigen Beitrag zur GDC. Cage arbeitet derzeit als Autor mit Quantic Dream am Film Noir Thriller „Heavy Rain“.