Nach den zur Farce geratenen letzten beiden Preisverleihungen gelang dem Deutschen Computerspielpreis jetzt die Sensation: Mit Crysis 2 wurde nun erstmalig ein First Person Shooter zum Spiel des Jahres gekürt. Macht der Förderpreis damit nun den ersten Schritt zur Anerkennung von Computerspielen als Kulturgut jenseits der Kinderspiele?
Eigentlich wollte man Innovationsgeist zeigen: Der Deutsche Computerspielpreis war bei seiner erstmaligen Ankündigung ein krasser Gegensatz zur politischen Diskussion rund um das Thema sogenannter „Killerspiele“. Deutschland, das weltweit eines der stärksten Konsumländer im Bereich der Computerspiele darstellt, sollte mit Hilfe des Computerspielpreises auch als Entwicklerstandort gestärkt werden. Nicht nur den ansässigen Unternehmen würde dies gut tun, auch wäre der Preis damit ein Schritt zur besseren gesellschaftlichen Anerkennung eines längst weit verbreiteten Mediums.
Doch der Computerspielpreis geriet zur Farce: Beim Titel für das beste internationale Spiel 2010 fiel die Wahl der Jury zunächst auf einen Actiontitel, durch eine regelwidrige Nachnominierung wurde dieses Votum vom Vorsitzenden der Fachjury jedoch übergangen und das in Deutschland produzierte ANNO 1404 als das beste internationale Spiel prämiert. Von da an erntete der Computerspielpreis aus allen Richtungen Spott: „Etikettenschwindel“ wurde vorgeworfen, sogar die Bezeichnung „Paralympics der Computerspiele“ fiel in der Presse. Aus der Traum vom positiven Politikum.
Entsprechend niedrig fielen die Erwartungen für den diesjährigen Preis aus. Im Vorfeld wurde schon gemunkelt, diesmal würde der Preis nur an maximal USK-16 Spiele vergeben werden, um Spiele mit kritischem Gewaltinhalt von vornherein auszuschließen. Kritiker sprachen bereits davon, der Computerspielpreis solle besser in „Kinder- und Jugendspielpreis“ umbenannt werden, um seinem Spartencharakter gerecht zu werden.
Es hätte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass ein Actiontitel für Erwachsene auch nur nominiert werden würde. Nun die Überraschung: Mit Crysis 2 erlangt einer der hochkarätigsten Shooter unerwartet die Trophäe. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, der im vorigen Jahr nicht an der Verleihung teilnehmen konnte, klärte die unerwartete Wendung in seiner Laudatio auf: „Ein Computerspiel, dass mit einem epischen, orchestralen Soundtrack und einer Hollywood-reifen dramatischen Bildgewalt zu überzeugen vermag, verdient unabhängig seiner Alterseinstufung die Anerkennung als Kulturgut auf Augenhöhe mit großen Kinofilmen.“
Auch Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, der den Preis überreichte, signalisierte einen Sinneswandel: „Computerspiele bieten vielfältige Möglichkeiten der Information, der Kommunikation und schließlich des Lernens. Doch lassen Sie uns nicht vergessen, dass kein Medium zwanghaft nur dem Lernen dienen muss. Hochwertige Unterhaltung genießt in jedem anderen Medium einen hohen Stellenwert und in Puncto Unterhaltungswert steht Crysis 2 außer Konkurrenz.“
Ob dieser überraschende Sinneswandel von Dauer sein wird oder nur eine politische Laune darstellt, bleibt abzuwarten. Er käme jedenfalls zu einem günstigen Zeitpunkt: Bayern soll nach dem Willen der Politik als Medienstandort gefördert werden und so öffnen sich die Tore nicht nur für Hersteller von Kinderspielern, sondern dem gesamten Markt.