Mit Guild Wars 2 beschreitet ArenaNet neue Wege: Weg vom Questsystem, hin zu dynamischen Events. Das Spiel soll sich damit deutlich von den gängigen Titeln des Genres abheben. Das Konzept kommt an: Guild Wars 2 gewann den gamescom Award für Online-Games.
Der Grundgedanke ist nachvollziehbar: In einem MMO ist der Spieler der Held, jedoch stets zusammen mit tausenden anderen Helden, die sich nicht selten um die Annahme des gleichen Quests streiten. Gerade bei interessanten Quest-Locations tummelt sich häufig eine Schar Spieler, die nur darauf wartet, als nächste dran zu sein. Andreas Ojerfors (Funcom), der bereits an Age of Conan mitgearbeitet hatte, beschrieb das Problem folgendermaßen: „Wenn du als Luke Skywalker gerade den Todesstern in die Luft gejagd hast, ist das eine tolle Errungenschaft in der Spielwelt – bis dann nach 5 Minuten der nächste Todesstern respawnt“. Grundsätzlich orientieren sich die meisten MMORPGs an Singleplayer-Mechaniken und fügen diese in ein massives Multiplayer-Universum ein.
Dynamische Events statt Quests
Mit Guild Wars 2 will ArenaNet ganz neue Wege bestreiten. Der Spieler soll bei erfüllten Aufgaben das Gefühl erhalten, wirklich etwas in der Spielwelt bewegt zu haben. Ein Ziel, das mit Questsystemen schwer umzusetzen ist. Aus diesem Grund setzt ArenaNet auf dynamische Events. Zusätzlich zur persönlichen Storyline des Spielcharakters – die im Übrigen von den Entscheidungen des Spielers abhängt – soll die Spielwelt mit Events angereichert werden, die keinen Questgeber mehr benötigen. Sieht der Spieler, wie Banditen gerade einen Brunnen vergiften, so kann er Initiative zeigen und direkt einschreiten, ohne einen Questgeber zuvor zu fragen. Darüber hinaus finden sich NPCs und ein Nachrichtensystem im Spiel, die den Spieler über Events informieren, die gerade in seiner Nähe geschehen. Jeder Spieler kann dabei während jeder Phase eines Events teilnehmen – gleich, ob es gerade angefangen hat oder sich bereits dem Ende nähert. ArenaNet nutzt dabei ein intelligentes System, das erkennt, wie viele Spieler an einem Event teilnehmen (nicht etwa nur, wie viele in der Region sind). Das Event wird dann entsprechend der Teilnehmerzahl und -stärke skaliert. Auch hier zeigt Guild Wars 2 Kreativität: Nicht nur die Anzahl an NPCs wird angepasst, die Gegner erhalten auch neue Fähigkeiten. Ein Drache beispielsweise „lernt“ die Fähigkeit, einen Rundumschlag mit seinem Schwanz auszuführen, wenn er von vielen Spielern bekämpft wird.
Ein besonderes Highlight der dynamischen Events: Sie sind innerhalb der Spielwelt für jeden Spieler persistent. Wird eine Stadt von einer feindlichen NPC-Fraktion überrannt, so dient sie den Spielern nicht mehr als sichere Zuflucht. In solchen Fällen werden die Spieler gefragt sein, die Stadt gemeinsam zurück zu erobern.
Ähnlich wie bei klassischen Quests werden die Spieler auch für das Bestehen von Eventaufgaben belohnt. Um Grinding zu vermeiden, gibt es jedoch keine aufgabenspezifischen Drops, sondern nur eine Art von Belohnung. Diese kann eingesetzt werden, um den Charakter dann individuell auszurüsten.
Keine Chance für Grinding
Ein besonderer Vorteil an diesem System ist auch, dass sozialer Druck von den Spielern genommen wird. Liegt der Reiz an einem MMORPG doch darin, häufig Abenteuer in der Gruppe mit Freunden zu erleben, ist dies auch gleichzeitig die Schwäche des Genres: Bedingt durch den Zeitaufwand für das Leveling werden Spielergruppen entweder auseinander gerissen oder aber Spieler investieren mehr Zeit als sie haben, um den Anschluss an die Gruppe nicht zu verlieren. Guild Wars 2 setzt hier neben den dynamischen Events auch auf eine flachere Progressionskurve. 80 Levels gibt es insgesamt, bis Level 30 steigt der Zeitbedarf, um das nächste Level zu erreichen kontinuierlich. Ab dieser Grenze jedoch flacht die Kurve ab und der Zeitbedarf zum Erreichen eines Levels verbleibt konstant bei etwa eineinhalb Stunden.
Doch auch bei unterschiedlichen Levels werden Gildenfreunde miteinander spielen können. Hier können sich die Spieler entscheiden, ob sie temporär herunter- oder heraufgelevelt werden möchten. Wird dann ein Nachzügler aus der eigenen Gilde unterstützt, bleibt die Aufgabe auch für die erfahreneren Spieler eine Herausforderung und die Reise zurück zu „Anfängergebieten“ lohnt sich auch noch mit hoch gelevelten Charakteren.
Das Kampfsystem in Guild Wars 2 orientiert sich an klassischen MMO-Systemen: Der Spieler muss sich nicht auf „Twitch-Gameplay“ einstellen, d.h. manuell zielen wie bei einem Shooter ist nicht notwendig. Trotzdem gibt es mehr taktische Möglichkeiten und die Kämpfe laufen äußerst visuell ab, um dem Spieler ein Gefühl von Echtzeit und Kampfgetümmel zu vermitteln. Zumindest gefühlt steckt Guild Wars 2 so nicht mehr im Pen&Paper-Zeitalter der RPGs fest.
Wie uns Eric Flannum, Lead Game Designer bei ArenaNet verriet, ließ Guild Wars 2 sich allerdings für den PvP-Modus tatsächlich vom Shooter-Genre inspirieren. So hat man sich populäre Steam-Titel wie Left4Dead, Team Fortress 2 oder Borderlands angesehen, um frische Ideen für das etwas eingerostete Kampfsystem im MMORPG-Genre einfließen zu lassen. Als Beispiel soll das aus Borderlands bekannte „Second Wind“ auch in Guild Wars 2 Einzug halten. Erreicht die Gesundheit des Spielercharakters 0, so fällt er zu Boden und kann von einem Teammate gerettet werden. Alternativ lässt sich auch eine letzte Attacke auf Gegner durchführen, um in Erfolgsfall so wieder auf die Beine zu kommen. Damit soll Guild Wars 2 nicht nur eingefleischte MMO-Fans begeistern, sondern auch die Spieler ansprechen, die sich bisher vor dem Genre gescheut haben.
Auf Hochglanz poliert
Liebhaber der früheren Soundtracks dürfen sich ebenfalls freuen: Der in der Gamer-Community nahezu legendäre Komponist Jeremy Soule wird auch für Guild Wars 2 erneut den orchestralen Soundtrack beisteuern. Ein Releasedatum gibt es unterdessen noch nicht. Laut Eric Flannum hat ArenaNet sich kein geringeres Ziel gesetzt, als das beste MMO aller Zeiten zu erschaffen. Allerdings betritt das Entwicklerteam durch seine vielen Innovationen neues Terrain und muss seine konzeptionellen Ideen erst einmal im Spiel erproben. Funktionieren diese dann nicht, muss zwangsläufig Hand angelegt werden. Flannum dazu: „Diese Sachen sind im Vorfeld schwer einzuschätzen […] wir werden hoffentlich niemals ein Spiel veröffentlichen, bei dem die Fans später sagen: ‚hätten sie nur 6 weitere Monate investiert‘. Wir wollen uns diese zusätzliche Zeit nehmen und sicherstellen, dass das Spiel all das ist, was es sein kann“
Fans der Reihe dürfen also guter Dinge sein, dass Guild Wars 2 erst veröffentlicht wird, wenn das Entwicklerteam mit seiner Arbeit zufrieden ist. Für uns steht allerdings schon fest: Der Titel ist schon jetzt das MMO-Highlight der gamescom! Wenn ihr mehr über die Entwicklung von Guild Wars 2 erfahren möchtet, schaltet demnächst in unseren Podcast ein! Dort könnt ihr bald das komplette Interview mit Eric Flannum hören!