GDC Europe – Tag 3

Am dritten und letzten Tag der GDC Europe standen die Themenbereiche Business, Management und Technologie im Vordergrund. Gleichzeitig war aber auch Aufbruchstimmung: Der Fachbesucher- und Pressetag konkurrierte eindeutig mit der Entwicklerkonferenz. Außerdem: Die Art Direction und Technik hinter Crysis 2.

Eigentlich könnte man sagen, die GDC Europe erstreckt sich nur über 2 1/2 Tage. Bereits am Mittwochmorgen wirkten die zuvor mit Ständen gefüllten Korridore erstaunlich leer, hatte man doch am Vorabend schon die meisten Stände abgebaut. Keine Keynotes waren mehr auf dem Programm, der größte Saal nicht mehr in Benutzung und das Gelände deutlich leerer. Der Grund war offensichtlich: Der Fachbesucher- und Pressetag der gamescom stand in Konkurrenz zum letzten Tag der GDC und so manch ein Entwickler hätte sich an jenem Tag am liebsten zweigeteilt. Wer nicht geschäftliche Verpflichtungen oder Pressetermine in der Business Area hatte, den zog die Neugier und die kurzen Präsentations-Wartezeiten in den Messebereich. Trotzdem hielt sich eine ganze Schar an Entwicklern und Studenten noch wacker bei der GDC, immerhin gab es weiterhin reichlich Programm, schwerpunktäßig zu den Themenbereichen Business, Management und Technologie.

Crysis 2: „Catastrophic Beauty“

gdce_crysis1Im ersten Track referierte Frank Kitson (Crytek) unter dem Motto „catastrophic beauty“ über den visuellen Stil von Crysis 2. Das Frankfurter Entwicklerstudio hatte mit dem Nachfolgertitel des beliebten Scifi-Shooters neues Terrain erobert: Nach zwei Spielen auf Inselwelten wurde zum ersten mal eine Großstadt wie New York detailliert in einer Engine umgesetzt, die keine künstlichen Hintergründe wie klassische Skyboxen kennt. Wie man beim Panel lernen konnte, war dies nicht nur eine technische, sondern auch künstlerische Herausforderung. Zum Einen wird eine Stadtumgebung wie New York von stark blockartigen Strukturen definiert, die optisch jedoch nicht allzu reizvoll sind. Zum Anderen lag Crytek viel daran, die bereits so häufig in verschiedensten Medien vorkommende Stadt auf eine neuartige, interessante Art darzustellen. Zudem wurden aufgrund der Vorgängertitel enorm hohe Erwartungen an die Entwickler gestellt.
gdce_crysis2Kitson ging auf die verschiedenen Methoden ein, die Crytek nutzte, um das Szenario des zerstörten New Yorks 2023 visuell interessant zu machen. So nutzten die Entwickler zunächst das aus Crysis bekannte „dappled lighting“, das in der tropischen Umgebung für einen „getupften“ Lichteinfall durch das Blattwerk sorgte. Für die entsprechenden Schattenwürfe in der Großstadt sorgten dann zerstörte Gebäude, Metallstreben und Geröll. Um mehr Dramatik ins Bild zu bringen, wurde starke Rückbeleuchtung eingesetzt, um einzelne Silhuetten hervor zu heben. Trotzdem würde ein derart großes, offenes Areal auf Dauer sehr ermüdend auf das Auge wirken, so Kitson. Daher entschied man sich, verschiedene Elemente wie Feuer, Rauch oder Wasser einzusetzen, um den Blick des Spielers auf kleinere Areale zu fixieren. Dass diese Elemente bisweilen großen Einfluss auf das Spielgeschehen haben dürften, zeigten einige Concept Arts: Man sah ein New York in Flammen sowie eine gewaltige Tsunami-Welle, die auf die Stadt zurollt.
Besonders atmosphärisch wirken einige Stellen im Spiel durch äußerst realistische Regenfälle: Hier werden recht dunkle Oberflächen durch starke Lichtreflexe durchbrochen, was zu einer enormen Tiefenwirkung führt. Den finalen Touch erreicht Crytek jedoch durch eine simple Farbkorrektur. Es wurden verschiedene Szenen mit unterschiedlichen Farbkorrektur-Einstellungen gezeigt, was einen enormen atmosphärischen Unterschied zur Folge hat. Orientiert hat man sich dabei unter Anderem an der Stimmung in Filmen wie „Godzilla“ und „28 Weeks Later“. Ein besonderer Vorteil am Farbkorrektur-Verfahren: Texturen für Gebäude oder Modelle müssen nur einmal in einer neutralen Farbgebung erstellt werden.


 

Die Technik hinter Crysis 2

gdce_seantracySean Tracy war wie auch im vorigen Jahr für Demonstrationen der CryEngine 3 zuständig, dem eigentlichen Herzstück der Firmengeschichte von Crytek. Bereits seit ihrer ersten Vorstellung vermochte die Engine, zu beeindrucken, hat sich seitdem ständig weiterentwickelt und gilt dauerhaft als „Bleeding Edge“-Technology. Das Firmenmotto „disrespect the impossible“ hat dabei innovative Titel wie Crysis erst möglich gemacht. Schlussendlich entwickelt Crytek aber nicht nur für sich. Die CryEngine ist zu einem beliebten Lizenztitel geworden und steht in direkter Konkurrenz zur ebenso beliebten Unreal Engine 3. Gerade durch die enorme Technologie waren Crytek-Titel jedoch auch stets eine große Herausforderung an die Hardware von Gamern. Umso überraschender die letztjährige Ankündigung, mit der Engine auch die Konsolenwelt zu erschließen. Was dort noch als „Next-Gen-Konsole“ bezeichnet wird, ist schon lange deutlich hinter der aktuellen PC-Generation. Wie Sean uns im Interview verriet, hat wohl kaum jemand damit gerechnet, die CryEngine tatsächlich in guter Optik auf Konsole zu sehen.
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„Viele Leute sagen uns: Ihr könnt niemals Crysis 1 auf Konsole bringen, ihr könnt keine 1.500 Lichter in einer Szene haben, ihr könnt kein stereoskopisches 3D auf der Playstation 3 haben…wir lieben es, wenn die Leute das sagen! In Wirklichkeit ist das für uns nur eine Motivation, ihnen das Gegenteil zu beweisen!“
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Tatsächlich hat die neue Engine-Version nicht nur optisch zugelegt, sondern spart dabei sogar noch Performance – was die Konsolenversion überhaupt erst ermöglicht.
Besonders stolz ist Sean dabei auf das neue „Deferred Lighting“. Diese Technik erlaubt eine Echtzeit-Beleuchtung mit bis zu 2.500 Lichtquellen in einer Szene und lässt die Speicherprobleme des Prinzips „Deferred Shading“ hinter sich. Besonders eindrucksvoll wird diese Technik bei Partikelsystemen: Bei der Live-Demo auf der GDC konnte man eindrucksvoll beobachten, wie jedes einzelne Partikel Licht auf die Umgebung abstrahlte.

gdce_sandboxstereoEin weiteres Feature lief fast schon Gefahr, im ganzen Kino-Hype unterzugehen: Spätestens seit James Cameron’s Dauerbrenner Avatar ist stereoskopisches 3D ein Thema für die Industrie. Und auch Hersteller aus der Games-Industrie versuchten sich schon daran. Doch sowohl Software als auch Hardware boten bisher noch kein herausragendes 3D-Erlebnis. Bereits im letzten Jahr demonstrierte Ubisoft das Spiel zu Avatar in 3D – für die Augen jedoch recht anstregend, was nicht zuletzt an der verwendeten Shutter-Technologie gelegen haben dürfte. Auch in diesem Jahr scheint die Technologie stellenweise noch nicht viel weiter gekommen zu sein:
Mit 3Dvision präsentiert nvidia auf der gamescom sein auf die eigene Grafikhardware abgestimmtes System. Auch hier kommt eine Shutter-Brille zum Einsatz, zusätzlich ist ein Bildschirm mit 120Hz Bildwiederholrate notwendig, der in ausreichender Geschwindigkeit abwechselnd Bilder für das rechte und das linke Auge ausspielt. Dass aber auch die Software für ein gutes Erlebnis wichtig ist, zeigte die Präsentation am nivida-Stand der gamescom. Unser Redakteur Robert machte den Test, war aber auch in diesem Jahr noch nicht hundertprozentig überzeugt von der Technik:
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So gut es in der Theorie klingt, so ungleichmäßig durchwachsen funktioniert die Technologie in der Praxis. Flimmern und Schmerzen der Augen durch die ständig wechselnden Perspektiven lassen unter Anderem bei Just Cause 2 hohen Komfort vermissen. Durch die ständigen Bildwechsel zwischen Makroaufnahme und Panoramablick ohne eine richtige Tiefenunschärfe wird man immer dazu verleitet, sich zwischen den beiden Bildebenen zu entscheiden. Das Brillengestell hingegen ist für nahezu jeden User geeignet, trotz dessen nur eine Einheitsgröße vorhanden ist. Auch Brillenträger haben bei 3Dvision nichts zu befürchten und können sich auf einen zumindest kurzweiligen  Tragekomfort freuen. Auf Dauer kann der Sitz aber Druckstellen auslösen.
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Entsprechend überraschend fiel die 3D-Präsentation bei Crytek aus: Für Entwickler komfortabel ließ sich stereoskopisches 3D direkt per Knopfdruck in der Sandbox zuschalten, benötigt wurde ein 3D-Bildschirm und gewöhnliche 3D-Brillen mit Polarisationsfilter, wie man sie aus dem Kino kennt. Die CryEngine 3 funktioniert zwar auch mit Shutter-Technik, aber die GDC-Präsentation überzeugte vollends: Gerade mit der Waffe im Anschlag erzielte das Spiel eine gute Tiefenwirkung, ohne dabei zu flimmern oder Geisterbilder („Ghosting“) zu erzeugen. Während parallel zu derartigen Entwicklungen die Preise für 3D-Bildschirme fallen, könnte 3D für PC- und Konsolenspiele in Zukunft immer interessanter werden.

Das komplette Interview mit Sean Tracy könnt ihr euch demnächst auch in voller Länge in unserem Podcast anhören!


Vom PC-Game zum Free to Play Browsergame

Mit den sich verändernden Bedingungen auf dem Markt suchen Spieleentwickler zunehmend alternative Geschäftsmodelle. „Free to Play“ hat sich seit Second Life als funktionierendes System erwiesen, doch war ein Wechsel zwischen verschiedenen Geschäftsmodellen bisher eher selten. Am lautesten war zweifelsohne die Ankündigung von Turbine, Herr der Ringe Online in einen Hybriden aus klassischem Abonnement-Modell und Free to Play zu verwandeln. Doch auch ein in Deutschland sehr bekanntes Spiel erschließt gerade ganz neue Märkte mit einem ähnlichen Wechsel: Das Düsseldorfer Studio Blue Byte bringt seine populäre Siedler-Reihe auf den Webbrowser. Doch geht dieser Wechsel auch mit einer Umstellung auf ein anderes Geschäftsmodell einher, denn Spieleverkäufe funktionieren auf der Plattform faktisch nicht. Mit Die Siedler Online entsteht ein Free to Play MMO, das sich alleine durch die Plattform schon stark von den Vorgängertiteln auf PC und Mac unterscheidet.
gdce_tso1Teut Weidemann (Blue Byte) und Christopher Schmitz (Ubisoft) gaben den GDC-Teilnehmern zunächst eine Einführung in das Prinzip von „Data Driven Design“. Gerade bei einem Free to Play Modell müsse das Design der Spielmechaniken sich grundsätzlich primär an der Monetarisierung ausrichten, so die beiden Entwickler. Erfolgreiche Studios haben zu diesem Zweck komplette Abteilungen eingerichtet. Dieser Prozess findet jedoch auch nach dem Launch des Spiels statt: Kontinuierlich wird das User-Verhalten untersucht und das Spiel entsprechend modifiziert.
Weidemann und Schmitz stellten nachfolgend die drei Säulen für eine erfolgreiche Monetarisierung eines Free to Play Spiels vor. Bezahl-Inhalte können beispielsweise eingesetzt werden, um den Fortschritt des Spielers zu beschleunigen. So kann ein Spieler mit wenig Zeit Fortschritt und Zeitersparnisse erkaufen. Was einen möglicherweise gewünschten Vorteil für den Spieler bringt: Er lässt sich nicht als zahlender Spieler von anderen in der Community unterscheiden.
gdce_tso2Der zweite Ansatz zur Monetarisierung setzt bei den verschiedenen Spielertypen an. Weidemann unterteilte die Community in fünf Archetypen: Den Killer, den Erfolgsmenschen, den Social Gamer, den Entdecker und den Händler. Jede dieser Spielergruppen stellt unterschiedliche Erwartungen an ein Spiel und setzt andere Schwerpunkte. Dennoch müsse man alle Gruppen bei Bezahl-Inhalten gleichermaßen berücksichtigen, da jede Gruppe auch für die anderen Spieler relevant ist. Beispiele waren: PvP für Kämpfer, iPhone-Clients für Händler, zusätzliche Kommunikationsmöglichkeiten oder Achievements.
Die dritte Säule schlussendlich baut auf den Marotten der Spieler auf. Gerne gibt man mit seinen virtuellen Errungenschaften an: Epische Items, Signaturgeneratoren für Foren und ausführliche Spielerprofile können hier interessant sein.


Exklusive Fragerunde mit Remedy Entertainment

gdce_remedyStudenten der Mediadesign Hochschule hatten am Mittwoch die einzigartige Gelegenheit, den drei anwesenden Entwicklern von Remedy Entertainment eine Stunde lang Fragen zum aktuellen Titel Alan Wake, der Produktion von Spielen oder ganz allgemein zum Markt zu stellen. Ein besonders häufig nachgefragtes Thema war die Einschätzung verschiedener Spieleplattformen, war Alan Wake doch exklusiv für die Xbox360 erschienen. Es wurde schnell deutlich, dass vor allem finanzielle Fragen eine Rolle für eine Plattform-Portierung spielen. Die Portierung sei teuer und müsse besonders unter Berücksichtigung des Zielgruppen-Potentials geplant werden, so Studio-Leiter Myllyrinne. Häufig würde es sich finanziell einfach nicht rentieren oder sei eine marketingseitige Entscheidung durch den Publisher.
Auf die Entwicklung von Max Payne 3 angesprochen, zeigten die Entwickler sich sehr zuversichtlich. Man habe sieben Jahre mit dem Charakter verbracht und habe sich nun einem komplett eigenen Franchise widmen wollen. Dem neuen Max Payne Entwickler Rockstar wurde das Vertrauen ausgesprochen, ohnehin nur gute Spiele zu veröffentlichen.
Während auf der GDC die vorherrschende Meinung war, Entwickler sollten weg von linearer Storyentwicklung und mehr auf dynamische Systeme setzen, zeigten die Remedy-Entwickler sich gelassen: Lineare Geschichtenerzählung in Spielen sei alles andere als tot. Lieber erzähle man eine einzige, sehr gute Geschichte, als viele Story-Optionen mit geringerer Tiefe zu bieten.