GDC Europe – Tag 2

Am zweiten Tag der GDC Europe gab es zum Auftakt interessante Einblicke in den Level Design Prozess von Mirror‘s Edge, Alan Wake und dem noch nicht veröffentlichten Brink. Außerdem in unserem Überblick: Dynamische Events in Guild Wars 2, Storytelling und Social Games.

gdce_leveldesign1Eines der für Designer interessantesten Panels des Tages fand gleich um 9 Uhr statt: Elisabetta Silli (DICE), Saku Lehtinen (Remedy) und Neil Alphonso (Splash Damage) gaben gemeinsam Einblicke in den Level Design Prozess dreier sehr unterschiedlicher Spiele.

The Tao of Level Design

Den Anfang machte Elisabetta Silli mit Mirror‘s Edge. Sie stellte einige der besonderen Herausforderungen an das Level Design des Parcour-Games vor. Beim ungewöhnlichen Gameplay wollte man ein Gefühl von Höhe vermitteln, wodurch die maximale Fallhöhe stark übertrieben wurde. Spieler konnten dadurch jedoch häufig schlecht einschätzen, welche Sprünge gefährlich waren und welche nicht. Bei DICE entschied man sich aus dem Grund dazu, alle nicht erreichbaren Flächen weiter von der spielbaren Fläche weg zu rücken, um den Spieler gar nicht erst in Versuchung zu führen. Um das Problem der Orientierung zu lindern, wurden die für einen Run wichtigen Objekte rot eingefärbt – eine nunmehr unverkennbare Stilistik für Mirror‘s Edge, gerade bei den ansonsten dominierenden kühlen und hellen Farben.
gdce_leveldesign2Eine technologische Hürde war die enorm große, offene Stadt im Spiel. Um das Spiel auch auf den speichertechnisch stark beschränkten Konsolen lauffähig zu halten, entschied man sich bei DICE für Zonen, in denen Inhalt gestreamt und neue Daten dabei im Hintergrund geladen wurden. Ähnlich wie bei Mass Effect kamen dabei auch Aufzüge zum Einsatz.
Schwierig war es auch für die Level Designer, die für den Spieler erreichbaren Areale einzuschätzen, da der Spielercharakter Faith durch verschiedene Kombo-Moves beschleunigen und damit ständig mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sein kann. Schlussendlich zwang dies die Entwickler zu einem sehr strategischen Aufbau von Gebäuden und Objekten, nicht selten kamen auch Blocker-Objekte wie Zäune hinzu.

gdce_leveldesign3Mit ganz anderen Herausforderungen wartete das eher spannungsgeladene und atmosphärische Alan Wake auf. Saku Lehtinen stellte den konzeptionellen Ansatz bei der Produktion des Spiels vor: Zunächst wurde ein Gameplay Example Level (GEL) erstellt, welches in schematischer Form die einzelnen Stationen innerhalb eines Levels darstellte und damit gleichzeitig auch die Spannungskurve (bzw. Flow) des Spiels ausmachte. Zu der schematischen Übersicht wurden dann Realfotos geheftet, die als Referenzmaterial für die Umbegung dienen sollten. Mit diesem Konzept konnte Remedy schon recht genau den dramaturgischen Verlauf des Spiels festlegen, ohne das Level tatsächlich zu bauen. Im Bau selber dann wurde viel Wert darauf gelegt, möglichst schnell Iterationen und Korrekturen am vorhandenen Material durchführen zu können. Hier dienten häufig handgezeichnete Erläuterungen auf Screenshots als Korrekturvorlage, dank guter Tools ließen diese sich dann stets schnell migrieren.
Lehtinen ging auch auf eine typische Herausforderung in nahezu jedem Level Design ein: Wie gestaltet man ein Level, das den Spieler in Bahnen lenkt und ihn in der Spielwelt einschließt, ohne tatsächlich wie eine künstliche Box zu wirken? Bei Alan Wake kamen die durch eine Berglandschaft gegebenen Höhenunterschiede gelegen, andere Barrieren wurden durch die Story plausibel gemacht: So hat der Charakter Alan Wake schlichtweg große Angst vor Wasser.

gdce_leveldesign4Neil Alphonsos Vorstellung von Brink ging primär auf das Balancing im Multiplayer ein. Er stellte einen Modus ähnlich Payload aus Team Fortress 2 vor, in dem unter Anderem das schrittweise Vorverlegen von Spawnpunkten an bewährte Mechaniken anderer Spiele erinnert. Die Besonderheit bei Brink: Die verschiedenen Charakterklasse können in unterschiedlicher Art mit ihrer Umwelt interagieren. Während eine besonders leichte Einheit sich akrobatisch über Hindernisse hinweg schwingt, muss eine schwer bewaffnete Einheit eher den Umweg gehen. Besonders hervorzuheben ist bei Brink die visuelle Umsetzung. Die Designer legten hier großen Wert darauf, dass alleine durch die Visualisierung und Details viel über Kultur und Lebensumstände der Spielfiguren verraten wird – ohne dass dazu lange Dialoge oder Cinematics notwendig wären. Vorgestellt wurde dies anhand eines Container Parks, an dem unter Anderem der Macher der legendären Counter-Strike Map „de_dust“ beteiligt war.


„Imaginary Places“

gdce_diemerDass Vorstellungskraft und Abstraktion der Realität Grundrezepte für gute Spiele sind, ist kein Geheimnis. Dass man aus diesem zumeist unterbewussten Prozess jedoch auch Methode machen kann, führte Bernd Diemer von Crytek in dem wohl unterhaltsamsten Panel des Tages vor.
Bernd Diemer ist offenbar vernarrt in Karten: Bereits in seiner Kindheit faszinierten ihn Landkarten mehr als alles andere. Jedoch nicht nur Karten von echten, sondern auch von fiktiven Orten wie z.B. Mittelerde. Doch was hat das mit Game Design zu tun? Diemer verband in seinem Vortrag Elemente der Popkultur mit dem technischen Vorgang der Kartenerstellung und heraus kam eine fantasievolle Mischung von Skurrilem bis hin zu handfesten Grundideen für Computerspiele.
Der tragende Gedanke: Karten stellen stets eine Abstraktion der Realität dar. Verändert man diese Karten mit einer eigenen Interpretation oder fantasievollen Vorstellung der Realität, so entwickeln sich daraus vollständig eigene Welten, die Kontext und Grundton für jede Geschichtenerzählung oder Fiktion bieten können. Bernd Diemer unterstrich diese ebenfalls abstrakt gehaltenen Ausführungen mit recht lebhaften Beispielen: So erzählte er, wie seine Eltern ihn und seinen Bruder einst während eines Urlaubes die Pariser Metro erleben ließen. Was auf der Netzkarte wie eine in sich geschlossene Welt darstellte, war in der Realität nicht viel anders: Jede unterirdische Bahnstation war thematisch passend zur Oberfläche künstlerisch ausgestaltet, die Metro damit eine Abstraktion der Realität. Und während diese klar definiert war, so boten die dunklen Tunneleingänge immer noch Raum, um die Fantasie schweifen zu lassen.
gdce_diemer2Diemer nutzte dieses Motiv als Analogie für die Entwicklung von Computerspielen – man solle ganz bewusst Lücken lassen, die es dem Spieler erlauben, sie individuell auszufüllen. Sein Fazit für virtuelle Welten: Sie sollten es dem Spieler erlauben, sich klug zu fühlen, in das Geschehen gesogen zu werden, „coole“ Sachen in einer neuen Welt zu machen – und auch die Welt darauf reagieren zu lassen. Als Beispiele für eine gelungene Umsetzung nannte er Portal, Team Fortress 2, Bioshock, Mass Effect 2 und Heavy Rain.


Virale Mechaniken und Social Games

gdce_viral1Soziale Netzwerke und die darauf präsenten Spiele leben vom viralen Marketing, so die feste Überzeugung in der Werbebranche. Aki Järvinen von Digital Chocolate zeigte auf, dass virale Effekte nur ein Aspekt neben klassischem Marketing und Cross-Promotion sind. Dennoch gewinnen sie an Bedeutung, denn soziale Plattformen erfahren eine enorme Verbreitung; aktuell gilt facebook als Quasi-Standard für Social Games. Doch wie lassen sich virale Effekte überhaupt triggern und wie stark ist der Einfluss von Entwicklern darauf?
gdce_viral2Järvinen ging zunächst auf die Wirkungsmechanismen des ,viralen Loops‘ ein. Wie der Name schon andeutet, zeichnet sich Viralität durch einen immer wiederholt zu durchlaufenden Kommunikationsprozess aus, der bei jeder Iteration neue User anlockt und zu Multiplikatoren macht. Doch müsse so ein Prozess erst einmal in Gang kommen, so Järvinen. Wichtig dafür sei ganz zentral natürlich der Spielspaß, aber mit der Beachtung von Details im Spieledesign könne der Entwickler ganz erheblich die Chance für virale Effekte erhöhen: Am Anfang steht die Einfachheit der Kommunikation, um Barrieren für den Austausch von Nutzern möglichst gering zu halten. Ansätze für potentiell virale Kommunikation sollten dabei stets mit Spielmechaniken verknüpft sein – anhand des Beispiels facebook: Belohnungen, Teilen von Ressourcen, partnerschaftliches Spiel, voneinander lernen und das Bitten um Hilfe. Viele dieser Aspekte böten Anreize, sich als Spieler in den viralen Loop einzuklinken: Belohnungen für eine Interaktion, Provokation (z.B. durch Neugier) oder soziale Gesten wie ein einfaches „danke für Item XYZ“. Doch bei allen diesen Variationen gelte: Je kränker, absurder – je mehr eine Nachricht unser typisches Denkschema durchbricht, desto höher die Chance, dass die betreffende Nachricht wirklich virale Effekte erzielt.
Järvinens scherzhaftes Fazit: „Eure Aufgabe: Erschafft eine asynchrone, persistente Online-Tupperparty“.  

gdce_storyEinen anderen Aspekt von Social Games beleuchtete darüber hinaus Kenny Shea Dinkin (PlayFirst). Er beschäftigte sich mit der Geschichtenerzählung von Computerspielen und rückte sie bei der historischen Entwicklung von Casual, Social und Serious Games in den Fokus. Seine These: Selbst bei einem „kleinen“ Casual Game mit einfachen Aufgaben oder simpel gehaltenem Spielziel gebe die Geschichtenerzählung dem Spiel einen wichtigen Kontext, der Spielziele bedeutsamer macht. Als Beispiel nannte er Zyngas „FarmVille“ auf facebook, wo jedes Detail in einem Quest einen narrativen Kontext besitzt.


Dynamik in MMOs / Guild Wars 2

Ein interessantes Schwerpunktthema des Tages waren MMOs – oder vielmehr deren unausgeschöpftes Potential. Andreas Ojerfors (Funcom) äußerte sich recht kritisch gegenüber der aktuellen Generation an MMOs auf dem Markt. Zu häufig werde versucht, Spiele in episch-narrative Dimensionen von World of Warcraft zu pressen – selbst wenn die Entwicklerteams viel zu klein für eine derart gewaltige Aufgabe seien. Der Fehler liege hier primär darin, bewährte Singleplayer-Spielmechanismen krampfhaft in massiven Multiplayer zu pressen. Nach dem Spielprinzip will jeder der Held sein, doch brechen 5.000 redundante Helden auf einem Server die Immersion. gdce_mmoFast schon zynisch merkte Ojerfors an: „Stellt euch das Erfolgserlebnis vor: Ihr zerstört den Todesstern und in fünf Minuten steht dort schon der nächste“. Schlussendlich wird dem Spieler nur die Simulation eines Erfolgserlebnisses gegeben, welches sich aber nach wenigen Minuten schon verflüchtigt. Daher werden Massen an neuem Content produziert, was sich nur große und gut ausgestattete Studios leisten können.
Für Ojerfors liegt der Schlüssel für interessanteres MMO-Gameplay jedoch eher in der Dynamik der Spielinhalte. Content solle vielmehr Feedback auf die Aktionen des Spielers sein. Was sich recht diffus anhört, wurde im Guild Wars 2 Panel dann sehr konkret. Eric Flannum und Colin Johanson stellten die „dynamischen Events“ ihres aktuellen Projekts vor. Bei dynamischen Events handelt es sich um eine Alternative zu den klassischen Quests. Events werden vom Server generiert und Spieler in der näheren Umgebung erfahren über verschiedene Informationsträger, dass sie an einem Event teilnehmen können. Prinzipiell reicht es, einige Räuber beim Anzünden eines Hauses zu entdecken, um ganz heroisch auf Eigeninitiative einzuschreiten. Der Spieler muss gar nicht mehr nach einem Questgeber suchen.
gdce_guildwarsEin besonderer Clou: Die Events skalieren sich abhängig von der Stärke der involvierten Spieler sowie deren Anzahl. Leer gelootete Gebiete oder endloses Warten auf das Respawnen eines wichtigen Questgebers gehört damit der Vergangenheit an. Auch hinterlassen die Aktionen des Spielers spuren in der virtuellen Welt: Wurde ein Event erst einmal bestritten, so verbleibt as Resultat persistent – und zwar für alle Spieler in der Spielwelt. Der Todesstern bleibt damit wirklich zerstört.
Dieses innovative Spielkonzept könnte die Immersion in MMOs schlagartig erhöhen. Es wird sich jedoch noch zeigen müssen, wie gut ein derartiges Spiel storytechnisch ankommt: Die Erzählung einer linearen Geschichte mit vorher festgelegter Dramaturgie lässt sich wohl nur schwerlich mit einem derart dynamischen System realisieren.