Der erste Tag des Living Games Festivals bot einen Einblick in das vielseitige Bildungsangebot rund um die Games-Industrie in Deutschland. Bei Workshops und Vorträgen konnten Neugierige erste Einblicke in die Produktion von Computerspielen gewinnen.
Noch nicht lange ist es her, da galten Entwickler von Computerspielen als die Underdogs auf dem deutschen Markt. Spiele wurden hauptsächlich im Ausland produziert, bestenfalls CryTek in Frankfurt erregte auch in Deutschland Aufsehen. Auch heute noch ist die Entwicklerszene in Deutschland überschaubar, es gibt nach wie vor mehr Arbeitsplätze bei Publishern als Entwicklerstudios. Die Ausbildungsbörse am ersten Tag des Living Games Festivals zeigte jedoch, dass auch in Deutschland langsam die Grundlagen für eine wachsende Branche der Spieleentwickler gelegt werden. Mit der Mediadesign Hochschule und der Games Academy waren gleich zwei Anbieter von Studiengängen im Bereich Game Design vertreten und informierten neugierige Schüler über ihre Studienmöglichkeiten. Während die Mediadesign Hochschule in Berlin, Düsseldorf und München ein umfassendes Studium über 6 Semester mit dem Abschluss Bachelor of Science anbietet, konzentriert sich die Games Academy mit ihren Standorten in Berlin und Frankfurt auf spezialisiertere und kürzere Studiengänge. Hier kann man sich z.B. direkt als Game Producer ausbilden lassen, erhält jedoch keinen Bachelor-Titel. Gemeinsam ist es den beiden privaten Hochschulen, dass Studenten früh Kontakte zur Branche knüpfen können und auch von kompetenten Dozenten aus Entwicklerfirmen unterrichtet werden. Ein Game Design Studium ist jedoch mit erheblichen Kosten verbunden, im Durchschnitt beträgt die monatliche Gebühr rund 800 €. Die Vertreter der Hochschulen rieten in ihren Vorstellungen daher auch dazu, sich den Antritt eines solchen Studiums genau zu überlegen. In Schnupperkursen sollen Interessierte einen Eindruck erhalten, um sich dann für oder gegen das Studium entscheiden zu können.
Die Aussteller auf dem Living Games Festival zeigten bereits am ersten Tag das kreative Potential jener Studenten auf. Ein Projekt reihte sich an das nächste und die ersten künftigen Abgänger überlegen schon, sich mit ihren aktuellen Projekten selbständig zu machen. Entsteht hier etwa eine neue Generation an Entwicklerstudios in Deutschland?
Wer sich nicht mit einem teuren Privatstudium anfreunden kann, muss dennoch nicht zwangsläufig den Traum einer Beschäftigung in der Games-Industrie platzen lassen. Verschiedene kleinere Unternehmungen wie Crenetic zeigten alternative Ausbildungsmöglichkeiten auf. Dabei bedeutet ein Job in der Games-Industrie nicht zwangsläufig, Game Designer zu werden. Ibrahim Mazari von Turtle Entertainment stellte verschiedene betriebliche Ausbildungsmöglichkeiten im Umfeld der Electronic Sports League vor – Europas größter eSport-Liga. Auch hier können Jugendliche mit dem Medium Computerspiele arbeiten, aber z.B. als Event-Manager, Aufnahmeleiter oder Moderator von eSport-Turnieren oder aber als Mediengestalter bzw. Community-Betreuer für den Webauftritt der Liga. Laut eigener Aussage ist Turtle Entertainment in Köln einer der größten Arbeitgeber der deutschen Games-Branche mit rund 170 Mitarbeitern. Die Auszubildenden erhielten auch in der Regel die Möglichkeit, direkt in eine Vollbeschäftigung übernommen zu werden, so Mazari.
Das Thema Berufsschancen griff auch die Initiative „Neue Wege für Jungs“ auf, wenn auch mit anderem Kernpunkt. Während die Mädchenförderung und der Girls Day bereits fester Bestandteil der Jugendarbeit sind, attestieren Studien wie PISA männlichen Jugendlichen einen schlechteren Bildungsstand. Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Projekt will männlichen Jugendlichen vor allem dabei helfen, alternative Zukunftsperspektiven zu entdecken – denn die eingeschränkten Perspektiven von Jungs leiten sich zum Teil auch von starren Gendervorstellungen ab. Während Mädchen hier weitaus selbstverständlicher auch in klassische Männerberufe vorstoßen, herrscht bei vielen Jungen immer noch das konservative Selbstverständnis als Allein-Ernährer der Familie vor, der im Fulltime-Job beschäftigt ist. Von der Norm abweichende Jobs oder gar Teilzeitbeschäftigungen und zuhause beim Kind zu bleiben – derartige Wege werden heute noch häufig gesellschaftlich geringer geschätzt.
Die Initiative „Neue Wege für Jungs“ unterstützt die Flexibilisierung männlicher Rollenbilder und will gerade Jugendliche dafür sensibilisieren, denn gerade in einer sich rapide ändernden Arbeitswelt können allzu konservative Vorstellungen schnell zu Arbeitslosigkeit führen. Im Rahmen der Initiative wurde der Medienwettbewerb „typ 2020“ ins Leben gerufen. Hier erhielten Jugendliche verschiedenster Altersklassen die Chance, ihre persönliche Perspektive für 2020 in kreative Form zu fassen. Heraus kamen teils nachdenkliche, witzige, aber auch dystopische Werke als Film, Musikstück oder gesprochener Text. Die Sieger der Gruppen- und Einzelpreise in den Kategorien unter 14 und 15-18 Jahre wurden auf der Hauptbühne des Living Games Festivals gekürt. Die Sieger und ihre Performances könnt ihr euch auf der offiziellen Website des Wettbewerbs ansehen.
Untermalt wurde die Ehrung mit Live-Performances der Bochumer Musikgruppe X-Vision und dem DJ Rob Bankz, der gleichzeitig Schirmherr für den Wettbewerb war.
Weiter geht es mit dem Living Games Festival bereits am Samstag ab 12:30 Uhr, hier wird der Schwerpunkt in der Spielekultur liegen, wobei unter Anderem die kulturell einflussreichsten Spiele der letzten 12 Monate prämiert werden. Neben diesen Titel können auch die zahlreichen Studentenprojekte Samstag und Sonntag selber angespielt werden. Wer am Wochenende also noch nichts vor hat und sich für Games begeistert, sollte sich einmal auf den Weg zur Jahrhunderthalle Bochum begeben!
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