Sind Computerspiele Kultur? Wann werden sie zu Kunst? Dies waren die zentralen Fragen der zweitägigen Next Level Conference, die Dienstag und Mittwoch erstmalig in Köln stattfand. Die Konferenz zeigte das ganze Spektrum der Computerspielekultur und ging damit weit über die Plattformen PC und Konsole hinaus.
Demoszene, Machinima-Künstler, Roboter-Erbauer, Modder und Indie-Entwickler sowie Vertreter aus Politik und Wirtschaft trafen bei dem ungewöhnlichen Festival aufeinander. Während in der Vergangenheit kleinere Konferenzen oder auch große Messen wie die gamescom immer nur einen Teil der Spielekultur anschnitten, überzeugte die Next Level Conference mit einem breiten Themenspektrum und so stießen die Kreativen der Branche sowie freie Künstler in einer ungewöhnlichen Konstellation aufeinander. Das multimediale Konzept des NRW KULTURsekretariats ging auf, denn die Veranstaltung bot vielen neuen Gesprächsstoff, insbesondere bei der zentralen Frage: Sind Games Kunst? Die Frage nach der Kultur stellte sich eigentlich gar nicht – um diesen Aspekt von Computerspielen zu begreifen, reichte ein Blick über die Ausstellung der Next Level Conference. Hier hatten Vertreter der Demoszene, Studenten und viele mehr die Möglichkeit, ihre vielfältigen Werke einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen. Ein Überblick über das Spektrum der Next Level Conference:
Demoszene
Während bei einem Panel die Ursprünge, Motivation und Ausrichtungen der Demoszene präsentiert wurden, konnten Besucher sich in der Ausstellung selber einen Überblick über verschiedene Projekte verschaffen. Der Wettbewerbsaspekt, möglichst grafisch überwältigende Demos mit möglichst geringen Mitteln zu erzeugen, ist in der Computerspieleszene durch diverse Veranstaltungen bereits recht bekannt. Doch gerade gemoddete Konsolenspiele zeigten eine Ausprägung der Cracker-Szene, die oft ignoriert wird: Während meist die Anfertigung illegaler Spielekopien thematisiert wird, liegt die Motivation der Modder hier darin, scheinbar unmodifizierbaren Spielen ihr Siegel aufzudrücken. Was einst mit dem Pseudonym des Crackers im Intro eines Spiels begann, wurde später zu immer aufwändigeren grafischen Animationen, die Filmkunst-Projekten in nichts nachstehen. Hier zeigte die Next Level Conference deutliche Parallelen zur Modder-Szene, mit dem Unterschied, dass jene am PC üblicherweise Modding Tools mit dem betreffenden Spiel serviert bekommen.
Studentenprojekte
À propos Modder: Wie jede gute Kulturveranstaltung ließ auch die Next Level Conference es sich nicht nehmen, einen Wettbewerb auszuschreiben. Im Creative Games Contest konnten Modder ihre Level Designs einsenden, diese wurden durch eine bunte Jury bewertet. Gewonnen hat ein komplettes Indie-Game namens Anderwelt, den zweiten Platz teilten sich punktgleich zwei Projekte von Studenten der Mediadesign Hochschule Düsseldorf: Night of Joeanne (Horror-Adventure) und Teglaris Academy, eine Architekturvisualisierung aus einem RPG-Spielekonzept.
Machinima
Wer kennt sie nicht: Die unterhaltsamen Kurzfilme in Garry’s Mod, Halo, Battlefield und vielen mehr – Machinima sind oft so populär wie das Spiel selbst, aus dem sie entspringen. Der Software-Entwickler und Filmemacher Friedrich Kirschner führte die Besucher in die Welt der Machinima-Filme ein. Von lustigen Klassikern wie Red vs. Blue (Halo) oder a day in the life of a turret (Portal) bis hin zu eigenen Werken mit künstlerischem Anspruch gelang ihm ein sehr unterhaltsames Panel, das eine weitere kreative Facette der Gamerkultur fernab der kommerziellen Hersteller zeigte.
Spielerisch lernen
Dass Games auch für Bildung eingesetzt werden können, zeigte Europas erste Professorin für Game Design Linda Breitlauch in ihrem Vortrag über ‚Serious Games‘. Ihr Vortrag verdeutlichte die didaktischen Einsatzmöglichkeiten verschiedener Spielmechanismen vom einfachen Lernen bis hin zu therapeutischen Ansätzen. So böten interaktive Interfaces wie z.B. Google Earth mehr Potential als der klassische Atlas in Buchform, während Strategiespiele Ansätze für die Vermittlung historischer Konflikte liefern könnten. Die therapeutischen Potentiale von Spielen untermauerte sie mit einem Projekt, welches derzeit von einem Studententeam an der MD.H Düsseldorf erarbeitet wird: Durch ‚First Ade‘ sollen diabeteskranke Jugendliche auf spielerische Art das Wissen darüber vermittelt bekommen, wie sie bewusst ihren Alltag mit der Krankheit bestreiten können. Gleichsam vermittelt das Spiel Wissen über die Prozesse, die im Körper ablaufen.
Spielerisch ging es auch auf den Workshops zu: Interessierte konnten aus einfachen Halbleiterbauteilen insektoide Roboter bauen, die in unterschiedlicher Art auf Licht reagieren. So konnten mit simplen, überkreuzten Signalschaltungen Roboter realisiert werden, die sich stets auf eine Lichtquelle zubewegen. Anhand dieser Silizium-Insekten wurden dann auch gleich die Parallelen zum menschlichen Körper thematisiert.
Mit einem besonders beeindruckenden Projekt wartete das Animax aus Bonn auf: Innerhalb eines 8×8 Meter großen Spielfeldes luden sechs Würfel mit verschiedenen Markierungen auf jeder Seite zum Spielen ein. Jeder Würfel war dabei mit einem Lautsprecher ausgestattet. Ein Sensor sorgte bei dem etwa 20.000 € teuren Aufbau dafür, dass jeder Würfel von einem Lichtspot verfolgt wird und Lage sowie Ausrichtung jedes einzelnen Würfels erkannt und in verschiedene Töne verwandelt wird. Eine Schulklasse erhielt so z.B. die Möglichkeit, die Würfel als Instrumente mit verschiedenen „Beats“ zu mixen und so spielerisch den Zugang zur Gestaltung von Musik zu finden. Der Aufbau ist dabei variabel programmierbar: In einem anderen Spiel bildete jeder Würfel einen Lebensraum ab: Während aus einem Würfel laute Bohrgeräusche ertönten, übte im nächsten Würfel eine virtuelle Figur auf Instrumenten. Durch Umkippen der Würfel konnten die virtuellen Figuren zwischen den einzelnen Räumen umher wandern, was auf dem Spielfeld als Fußabdrücke visualisiert wurde. Neben einem didaktischen Zugang zu Musik oder Improvisationstheater wären derart haptische Spiele für vielfältige Aufgaben geeignet.
Fazit
Obwohl die Next Level Conference die erste ihrer Art war und sicher noch einige Kinderkrankheiten überwinden muss, bot sie etwas, das bisher seinesgleichen sucht: Eine Veranstaltung, die den Besucher völlig vorurteilsfrei das gesamte kulturelle Spektrum von Computerspielen erfassen lässt: Von klassischen Designarbeiten über künstlerisch-abstrakte Ansätze bis hin zu Lernspielen.
Mit äußerst kreativen Projekten, die weit über die Konsumentenprodukte für PC und Konsolen hinaus gehen, konnte die Next Level Conference nicht nur Besucher ohne Bezug zu Computerspielen faszinieren, sondern auch Gamer, Kunstliebhaber oder ganz generell: jeden kulturell interessierten Menschen. Die Podiumsdiskussionen ließen allerdings auch Fragen offen: Wo liegt die Grenze zwischen Unterhaltungsprodukt und Serious Game? Wie lassen sich Games im Bildungssektor einsetzen? Benötigen wir mehr Spiele mit künstlerischem Anspruch und wer soll diese fördern?
All diese Fragen und das kreative Potential für weitere beeindruckende Projekte lassen auf eine Fortführung der Veranstaltung hoffen.
Für diesen besonderen Event haben wir natürlich auch wieder einen Podcast aufgenommen. Wir sprechen über einige der ausgestellten Projekte und haben auch einige besondere Interviews geführt:
- Bodo Lensch, Leiter des Animax in Bonn
- Roman Salomon und Christian Patorra von Sluggerfly zu ihrem Titel „Night of Joeanne“
- Tobias Kopka (Demoszene) und Ibrahim Mazari (Turtle Entertainment) zum Fazit der Veranstaltung
Leider haben wir es noch nicht geschafft, den Podcast online zu stellen, denn es steht bereits die zweite Konferenz in dieser Woche an: Als akademischer Gegenpart befasst sich die Clash of Realities / international games conference mit Studien zum Thema „Killerspiele“, eSport und allgemein einer wissenschaftlichen Betrachtung des Phänomens Gaming. Wir sind natürlich wieder für euch vor Ort, dadurch verzögert sich aber leider der Podcast.
Unsere Bildergalerie zur Next Level Conference: