Wie an vielen Samstagmorgenden stand ich am Bahngleis zwei des Westbahnhofs Aachen. Die Bundesliga hatte gestern wieder begonnen und war in die Rückrunde gestartet. Ich wollte mich, nachdem ich vier harte Wochen der Fußballabstinenz hinter mir gebracht habe, auf den Weg nach Mönchengladbach machen, doch das verhängnisvolle Knacken eines Lautsprechers wollte nichts Gutes verheißen.
Es ist typisch, kaum steht man am Bahnhof und wartet auf seinen Zug, schon hat man die „übliche“ Verspätung im Nacken. Doch wie auch bei vielen Gelegenheiten kommt es bei mir an diesem Morgen anders, und zweitens als man denkt. Die erste Durchsage, dass auf Grund eines Stellwerkproblems im etwa 35 km entfernten Düren, der Zug ungefähr 30 Minuten später eintreffen sollte, war nur der Vorgeschmack dessen, was mich noch erwarten würde. Aus den 30 Minuten wurden 50 Minuten. Dann fiel der Zug gänzlich aus und ein weiterer Zug sollte sich um 20 Minuten verspäten, bis dann die Durchsage kam, dass bis auf weiteres überhaupt keine Züge mehr fahren sollten. Weder in die eine noch in die andere Richtung.
Na wunderbar, jetzt werd ich vorerst nicht aus Aachen wegkommen, so dachte ich. Aber die Bahn wäre ja natürlich nicht die Bahn, wenn sie keine schlechten Alternativen anbieten würde. Eine weitere ziemlich schlampige Durchsage betitelte den sogenannten SEV, der am Taxistand bereit stünde. Aus meinen Augen eine Frechheit, da die Leute am Bahnsteig, die mit dieser Abkürzung nicht zurechtkamen, am Bahnsteig verblieben und nicht zu jenem Taxistand aufbrachen. Der Taxistand ist vom Bahnhof selbst, wenn man denn zu Fuß ziemlich fit unterwegs ist, in knappen 3 Minuten zu erreichen. Doch als ich, wie auch wenige Andere vom Bahnsteig, dort ankam, bat sich mir ein Bild des Chaos. Hunderte Leute warteten auf den Ersatzverkehr. Sie mussten also schon eine ganze Weile vor mir am Bahnhof gewesen sein und ebenso eine Durchsage erhalten haben. Fraglich ist nur, warum zuvor eine allgemeine Durchsage zur Verspätung der beiden Züge gemacht wurde, die ich und die anderen Fahrgäste verpassten.
Nun wartete ich mit der aufgebrachten Meute aus Rentnern, Studenten und Pendlern am Taxistand, bis ein Taxi vorfuhr und der Fahrer klarstellte, dass er der Schienenersatzverkehr sei. Ich konnte es nicht glauben. Ein Kleinraum-Taxi, also maximal vier Fahrgäste, für gefühlte 200 Personen am Taxistand. Das ist doch nicht zu glauben. Als dann nach einigen Streitereien vier Personen den Kampf um die Sitzplätze gewonnen hatten fuhren zwei weitere Taxen vor. Zumindest war ein Großraumtaxi dabei. Dennoch war es einfach unmöglich, einen Platz zu erwischen. Frustriert machte ich mich wieder auf zum Bahnhof, in der Hoffnung dass ich von der Notrufsäule, die immerhin einen Informationsknopf zur Auswahl bietet, eine Antwort erhalten würde. Ich drängelte mich durch die Menschenmasse, die mittlerweile am Bahnhof wartete. Scheinbar ohne zu wissen dass am Taxistand im Viertelstundentakt Taxen vorfuhren um die Masse etwas zu entlasten. Als ich am Automaten angelangt war, drückte ich voller Erwartung den Knopf. Ich erwartete, dass mir die Bahn eine Zusage geben würde, dass ich mir persönlich zu Kosten der Bahn ein Taxi rufen durfte um zumindest zum nächsten Bahnhof zu gelangen. Doch statt einer Antwort dudelte mir eine nette Melodie die Ohren voll. Einige Passanten, die scheinbar auch unterwegs zu einem Fußballspiel waren, so angetrunken wie sie waren, fühlten sich eingeladen einige durchwachsene Tanzschritte zu der Melodie zum Besten zu geben. Zur Erheiterung der anderen Passanten fing einer auch noch an zu singen. Immerhin traf er auch die Noten!
Nach weiterem erfolglosem 15-Minuten-Informationsknopf-Drücken fuhr eine Bahn vor. Jedoch mit dem Problem, dass sie nur bis zum nächsten Bahnhof fahren konnte. Immerhin sollte man dort die Möglichkeit besitzen, einen Schienenersatzverkehr zu erreichen, der viele Personen befördern konnte. Sprich Bus! Als dann der maßlos überfüllte Zug den Bahnhof erreichte, hechtete ich zur Bushaltestelle an der tatsächlich der SEV wartete. Jedoch war das nur EIN Bus. Glücklicherweise war ich als einer der Ersten und konnte mir einen Stehplatz sichern. Leider musste aber eine große Menge an Leuten draußen vor dem Bus stehen bleiben, als dieser sich in Bewegung setzte. Wütende Blicke verfolgten mich und die anderen Fahrgäste im Bus, verständlicherweise. Als wir am nächsten Bahnhof ankamen, von dem aus wieder die Züge fahren sollten, wurde ich ein weiteres Mal von der Bahn enttäuscht. Auch hier fuhren die Züge nicht und es sollte wohl so ausgehen, dass ich das Stadion an diesem Samstag gar nicht mehr erreichen sollte. Verzweifelt wie ich nun war, sprach ich einen Taxifahrer an, ob er denn wüsste, ob hier wieder Schienenersatzverkehr geplant sei. Zunächst verneinte er, aber kurz darauf rief er mich heran, ich sollte fünf weitere Personen zusammentrommeln und mit ihm in Richtung Mönchengladbach fahren, die Bahn würde alle anfallenden Kosten übernehmen.
So machte sich der Trott aus 2 Pendlern, einem Studenten, einem Anwalt und mir auf in Richtung Gladbach. Ich erreichte das Spiel noch gerade rechtzeitig, hätte aber bei dem Ergebnis ruhig zuhause bleiben können und mir jede Menge Stress ersparen können. Am Ende bleibt mir nur der wohlige Gedanke daran, was ein kleiner Fehler im System der Bahn diesem schusseligen Unternehmen wohl für ein Geld kosten wird. Wir fünf waren dabei auch nicht die Einzigen, die ein Taxi genommen haben um schlussendlich zum Ziel zu gelangen. Und Taxifahren ist verdammt teuer.